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Rhetorik Training: Wie man Emotio und Ratio gleichermaßen anspricht

Rhetorik Training: Wie man Emotio und Ratio gleichermaßen anspricht

Rhetorik, Grundlagen
Rhetorik-Grundlagen

Oft operiert ein Rhetorik Training oder ein Vertriebsseminar mit Neurolinguistischem Programmieren, Einteilungen von Kunden und Gesprächspartnern nach der Triune Brain-Methode in Blau-, Rot- oder Grüntypen und anderen Methoden, die sich der Empirie entziehen. In vielen Rhetorik Trainings und Vertriebsseminaren als sichere Methoden kommunizierte Kategorisierungen oder Beeinflussungen des Denkens und Verhaltens sind wissenschaftlich stark umstritten.

Seriöse Hirnforscher sind sich einig: Die Ergebnisse der Hirnforschung sind ernüchternd, sie steht eigentlich noch ganz am Anfang. So sehen es zum Beispiel Prof. Henrik Walter und John-Dylan Haynes von der Berliner Charité. Haynes zu diesem Thema im „Spiegel“ vom 9. 4. 2016: „(…) Die Hirnforschung war lange Zeit viel zu optimistisch. (…) Um Hirnfunktionen wie den Willen zu verstehen, brauchen wir weitere zwanzig Jahre intensiver Forschung. Mindestens.“

Eines steht allerdings fest – wir haben es bereits in diesem Blog ausgeführt: Die strenge Arbeitsteilung zwischen linker und rechter Hirnhälfte (Ratio links/Emotio rechts) existiert so nicht. Leider war und ist das Modell trotz seiner Widerlegung für die Festigung konventioneller Geschlechterbilder verantwortlich. Zusätzlich gestützt von managementesoterischen Eignungs- und Typentests, die Menschen farblich stigmatisieren – und in verschiedene emotionale oder rationale Klischeeschubladen pressen. Auf der Grundidee des Triune Brain von Paul D. MacLean (die übrigens in Fachkreisen schon immer heftig kritisiert wurde) fußen leider bis heute viele Rhetorik Trainings. Nach dem Motto: Richte dein Reden an der Farbe des Publikums aus – und schon wirst du den Laden rocken. Abgesehen von dem sehr umstrittenen Ansatz, der auf Wissen der Fünfziger- und Sechzigerjahre aufbaut, bleiben nach jedem Rhetorik Training dieser Art eine Reihe praktischer Fragen offen: Wie definiert der Redner die Farbe des Publikums? Ist nicht schon eine kleine Gruppe farblich meist sehr heterogen? Ist das Lesen von Horoskopen nicht ähnlich erfolgversprechend?

 

Ein Rhetorik Training nach der Triune-Brain-Methode: umständlich und überkommen
Abb.: Ein Rhetorik Training sollte nicht mit psychologischen Modellen aus der Mottenkiste operieren …

In einem Rhetorik Training lernen Sie Evidenzen zu schaffen

Vor allem die klassische Werbung hingegen arbeitet seit jeher mit der These, jeder Mensch sei ein ganzheitlich denkendes Wesen. Und handele komplexen Einstellungen und Verhaltensdispositionen folgend, die nicht farblich in zwei oder drei Kategorien einzuordnen sind. Genau diesen Ansatz nehmen moderne Rhetorik Trainings auf und zeigen: Zuhörer erwarten während einer Rede zwar Fakten. Mehr oder weniger bewusst aber auch Originalität, Subjektivität und Kreativität bei der Informationsbewertung. Ein sinnvolles Rhetorik Training berücksichtigt, dass Vorträge und Reden das menschliche Verlangen nach Bildhaftem, Kreativem, Emotionalem genauso ansprechen müssen wie logisches, analytisches Denken. Vor allem wenn man eigene Interessen durchsetzen und überzeugen will, muss man das Publikum auchaber nicht nur als Vernunftwesen ansehen. Oder umgekehrt. Sollen relevante Zahlen, Daten und Fakten von den Adressaten behalten werden, funktioniert dies zunächst über Wiederholungen. Um jedoch tatsächlich Meinungen oder gar Verhalten zu modifizieren, ist es wichtiger Evidenzen zu schaffen.

Was heißt das für die praktische Rhetorik? Seriöse Rhetorik Trainings erarbeiten mit den Teilnehmern, wie man am besten Abstraktes wie Konkretes, Zahlen wie Bilder, Emotion wie Vernunft – in einer Rede miteinander kombiniert. Auch wenn sie vor vermeintlich sehr rational orientiertem Publikum gehalten wird (zum Beispiel Wirtschaftsingenieure). Der in Rhetorik Trainings oft gehörte Satz „Bei solchen Leuten kann man nur mit Fakten kommen“ ist ein fatales, gar entmündigendes Vorurteil. Der Mensch denkt ganzheitlich. Wohingegen die meisten Reden und Redner das ganzheitliche Denken komplett ignorieren. Und ihre Argumentationen lediglich auf Zahlen, Daten und Fakten aufbauen. Über praktische Beispiele verdeutlichen Rhetorik Trainings, dass das Aneinanderreihen von Fakten nichts anderes als eine Art Vorlesung, die keinerlei persuasive Kraft entfalten kann, darstellt. Erst durch das ganzheitliche Ansprechen von Adressaten ist eine Rede nicht nur unterhaltsam. Es ist die Basis dafür, dass sich eine Rede von anderen positiv abhebt und durch eine plastische Sprache auszeichnet. Sie wird erst dadurch für das Publikum erinnerlich. In modernen Rhetorik Trainings wird genau das wieder und wieder geübt.

Nur Vorstellbares ist merkbar

Wie sagte Quintillian (römischer Rhetoriklehrer, * um 35; † um 96)? „Großen Eindruck macht es, wenn man zu den wirklichen Vorgängen noch ein glaubhaftes Bild hinzufügt, das den Zuhörer gleichsam gegenwärtig in den Vorgang zu versetzen scheint (…)“.

Wenn man als Redner gute Metaphern bildet, beweist man, die Sache, von der man spricht, verstanden zu haben. Der Beweis liegt im Transfer des Sachverhalts in einen neuen Kontext selbst. Die Übertragung des Komplexen, Unverständlichen in einen für das Publikum bekannten Bedeutungszusammenhang gehört auch aus diesem Grund in jede Vortragsform – und somit in jedes Rhetorik Training. Und während Sie mit Metaphern und Analogien Ihre Kompetenz untermauern – freuen sich Ihre Zuhörer über jede noch so banal erscheinende Komplexitätsreduktion: Nur Vorstellbares ist merkbar. Und nur wenn man sich etwas merken kann, ist es möglich darüber nachzudenken.

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